by FcpsT5

Mitarbeiter auf Fronturlaub

Schon etwas länger häufen sich die Geschichten über die „great resignation“ in den USA und neuerdings auch über die geringe Arbeitszufriedenheit hierzulande (laut einer Forsa Studie sind 4/10 Mitarbeitern in D wechselwillig, bei den 30-39 Jährigen ist es schon jeder Zweite).
Natürlich, wie immer, wird gerade viel dazu kommentiert.

Vor ein paar Wochen hat McKinsey einen interessanten Beitrag bei ihren „Insights“ gepostet: A military veteran knows why your employees are leaving.

In diesem Beitrag vergleicht Adria Horn, Vice President Workforce bei Tilson Technology Management und ehemalige Armeeangehörige, die Rückkehr der Menschen in ihre Arbeitsroutinen nach den Einschränkungen durch die Covid Pandemie mit der Rückkehr aus einem Kriegseinsatz. Mit den entsprechenden psychologischen Konsequenzen. Die Front, die war in den Familien. Zurück bei der Arbeit, dort ist jetzt Fronturlaub und Nachdenken über den Sinn des Ganzen angesagt.

Adria Horn zieht nicht einmal den Vergleich mit schwerer Traumatisierung durch Kampfhandlungen, das wäre noch einmal eine andere Stufe, nein, ihr geht es vielmehr um die üblichen Konsequenzen einer Rückkehr nach einem Einsatz: Das Gefühl von Enttäuschung, Den Wunsch, Bilanz zu ziehen, die Gefühle des Eingesperrt-Seins.

“This Great Resignation is actually a normal response that most people have never gone through”.
Adria Horn

Diese Hypothese ist auf alle Fälle eine Überlegung wert. Gut, wir haben hier in Mitteleuropa seit vielen Jahren keine kollektive Erfahrung mit militärischen Einsätzen.

Weil mich das interessiert, habe jetzt bei einem Freund nachgefragt. Er hat als ehemaliger Hubschrauberpilot bei den französischen Special Forces viel Erfahrung mit Kampfhandlungen (7 längere Einsätze bei internationalen Missionen). Dazu habe ich auch ein paar ältere Menschen befragt, zu ihren Erinnerungen an die Nachkriegszeit.

Kurz zusammengefasst habe ich folgendes gehört:

  • Wer jung ist, kann die Erfahrung schneller wegstecken, aber nicht, weil er oder sie so gut in der Aufarbeitung ist, sondern weil zu viel Zukunft auf dem Spiel steht. Dieses Durchtauchen hat aber auch langfristige Folgen.
  • Es gibt keine Kultur für das Wieder-Zusammenkommen und wahrnehmen, was die Menschen an neu gewonnenen Kompetenzen mitbringen. The Show must go on.
  • Bei vielen Menschen ist anfangs ist der Wunsch nach Ruhe und Ordnung groß. Es braucht Zeit, bevor wieder neue Erfahrungen zugelassen werden können.
  • Manche finden sich nicht wieder gut ein, sie bleiben traumatisiert. Da braucht es andere, die das wahrnehmen und helfen können.

Das sind erst einmal nur Gedanken aufgrund eines Artikels und aufgrund einiger weniger Gespräche mit Menschen, die Extremsituationen oder die Zeit danach erlebt haben.

We’re actually in the beginning of a longitudinal study in human behavior. The employee response we’re seeing is a normal response to a traumatic period. If employers truly acknowledge this, they can empower employees to find their way.”
Adria Horn

Vielleicht ist jetzt die Zeit für inklusive Angebote des Austausches und des Zuhörens. Abends, am Lagerfeuer, wenn Leader, Mitarbeiter, Kunden und Nachbarn zusammenkommen, werden sich neue, erstaunlich starke Wurzeln für eine neue Kultur im Unternehmen entwickeln. Die werden wir brauchen, denn Covid war vergleichsweise nichts im Vergleich zu dem, was noch kommt.

Oder, ein letztes Mal in den Worten von Adria Horn:

„It may be the best thing employers can do for their business right now – to stop thinking of it as a business problem, and instead simply address it as a human problem.”

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